2022 Rückblick
Zweitausendzweiundzwanzig. Ein Jahr wie ein Karussell: voll, bunt, wirbelnd, viel zu schnell, und abwechslungsreich. In diesem Rückblick möchte ich nochmal einige der wichtigsten Erlebnisse revue passieren lassen.
Da im Januar fast nichts in Bamberg passiert (alle erholen sich noch von der Weihnachtszeit), und noch weniger in der zeitgenössischen Schmuckszene, nutzten wir diese Zeit, zu meiner Familie in den Süden zu flüchten. Unsere Südafrikareise war von traumhaft schönen Naturszenerien, kostbarer Zeit mit meiner Familie und bürokratischen Kämpfen geprägt.
Zum Jaresbeginn zeigten Alvaro und ich im Rahmen der Europäischen Tage des Kunsthandwerks in unserem Atelier einige Handwerkstechniken: Es gab Vorführungen zu den Themen Emaillieren, Patinieren und Sandguss. Dabei war es unsere Absicht, diese traditionsreichen Handwerkstechniken wirklich erlebbar zu machen: Wir wollten die Geschichten hinter der Faszination Handwerkskunst erzählen und herausarbeiten, warum dieser Schaffensprozess uns Menschen so tief berührt.
In eigener Praxis arbeitete ich zwischendurch an besonderen Stücken, an üppigen Emaillecolliers, Statement-Ohrringen und Broschen für kommende Verkaufsausstellungen, Messen und Wettbewerbe.
Zu Christi Himmelfahrt findet jedes Jahr das Haxthäuser-Hof Schmucksymposium statt (ehemals Zimmerhof). Hier treffen sich Jung und Alt der zeitgenössischen Schmuckszene zum Austausch. Dieses viertägige Event (das auf Englisch stattfindet) ist inzwischen recht international besucht; Referent:innen und Besucher:innen kamen aus den USA, Belgien, Australien, Dänemark, Holland, Ungarn und natürlich aus dem deutschsprachigen Raum. Es gibt Vorträge von Schmuck-Experten diversester Hintergründe und Themenbereiche, dazu werden alle Anwesenden wunderbar bekocht und abends laden Bar, Lagerfeuer und Tanzboden zum weiteren Austausch ein. Die kreativen Batterien werden wieder neu aufgeladen.
Im Juni feierten wir unser einjähriges Bestehen als NONNE 11 mit einer Sommerausstellung - für uns in dieser Zeit, geprägt von Corona, Krieg, Inflation und allgemeiner Entropie, doch ein bedeutender Meilenstein. Durch Zufall ergab sich eine wunderbare Kooperation mit dem Bamberger Komponisten Jochen Neurath, der eigens für den Atelierraum das experimentelle Konzert KOSMOS/WELLEN für Kontrabassklarinette und Kontrabass schrieb.
Dieser Sommer war eine Saison der Feste: Ausstellungen, Hochzeiten, Abschlüsse und Neuanfänge.
Die Wochen zwischen Ausstellungen und Messen nutzen wir zum weiteren Ausbauen unserer Kollektionen. Wir schaffen im Atelier… ich arbeite an meiner Emailletechnik, sammle Farben, Alvaro experimentiert im Sandguss und arbeitet an seiner Memorabilia-Kollektion.
Im Juli/August bekommen wir beide ein Stipendium des Freistaats Bayern „Junge Kunst und neue Wege“, jeweils mit 5000 € dotiert. Es ist eine Ehre und eine Erleichterung, kreative neue Projekte entwickeln zu können, ohne direkt an ihre Verkäuflichkeit denken zu müssen. Alvaro entwickelt seine Memorabilia-Kollektion, verbringt Stunden mit dem Sortieren und Komponieren getrockneter Pflanzen. Ich zeichne Entwürfe für eine neue Kollektion; sie soll plastischer, dreidimensionaler, vielschichtiger als die bisherige Arbeit sein. Dazu experimentiere ich mit Emailletechniken, versuche dabei taktilere Oberflächen und emotional ausdrucksstarke Farbkombinationen zu finden, um anhand der Experimente eine neue Kollektion zu entwickeln. Als Prototyp entsteht momentan ein Statement-Collier, das wie ein tragbarer Paradiesgarten, ein atmendes Ökosystem aus Fungi, Ranken, Blüten und Knospen, fast lebendig wirken soll. Der Januar und Februar 2023 - mit weniger Ablenkung von Außen und mehr Luft zum kreativen Arbeiten - soll komplett dem Projekt gewidmet sein.
Im September besiegelten Alvaro und ich unser Beisammensein formell. Unser Hochzeitsfest, ein Sonne-und-Mond-Zeremoniell, fand im kleinen Rahmen statt. Ein besonderes und intensives Wochenende, voller kostbarer Augenblicke, Bubbles, Lachen, Anspannung, den besten Wünschen, fränkischen Brotzeiten, südafrikanischen Weinen, und vielen emotionsgeladenen Begegnungen. Und da war der Birnbaum im Garten unserer Feierlocation, blühend im September, wie eine Schneekönigin, ganz in der falschen Jahreszeit, vielleicht eine Notblüte wegen der großen Trockenheit im Sommer, vielleicht auch einfach extra für uns als Geschenk des Himmels.
Im Oktober verbanden wir zwei Messeauftritte in Berlin und Leipzig an aufeinanderfolgenden Wochenenden zu einer zweiwöchigen Messetour. Ich stellte auf der Zeughausmesse aus, mit Alvaro als Wingman (bei meinem 4-Meter-Stand eine Notwendigkeit). Zum ersten Mal fand die Zeughausmesse nicht im Deutschen Historischen Museum Berlin statt. Wegen größerer Renovierungsmaßnahmen im Museum kann die Messe dort nicht mehr stattfinden, und so haben die Veranstalter im KühlhausBerlin eine geeignete Alternative gefunden. Die Zeughausmesse, wie sie im Zeughaushof des DHM stattfand, war bestimmt beeindruckend mit der hohen Glasdecke, den steinernen abgeschlagenen Köpfen von besiegten Feinden, und dieser feierlich-formellen Aura des Historischen. Aber die Messe dort war auch ein wenig festgefahren, eingeengt von den Grenzen des Raums und den Erwartungen des Museumspartners. Mit seinem industriellen Ambiente und einer mehrstöckigen offenen Galerie schafft das Kühlhaus - finde ich - den perfekten Raum für eine Messe, die zeitgenössisch sein will, die sich an den neuesten Strömungen der Angewandten Kunst orientieren will.
Die Grassimesse im Grassimuseum Leipzig überzeugt jedes Jahr aufs neue mit einer starken Auswahl an qualitativ hochwertiger Gebrauchskunst, und vor allem mit der durchdachten Kuratierung (seit Beginn der Pandemie werden Aussteller:innen der Messe teilweise auch in der historischen Sammlung des Museums ausgestellt, dabei entsteht ein spannender Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und historischen Objekten). Alvaro stellte also hier aus, und ich assistierte. Er war, passend zu den Themen seiner Arbeit, in der Nördlichen Renaissance angesiedelt. Insgesamt waren diese Tage für uns ein beflügelndes und ermutigendes Messeerlebnis, denn wir konnten beobachten, wie viele Besucher:innen ernsthaft von Alvaros Schmuckstücken berührt waren.
Im November stellten wir die Arbeiten des Metallgestalters und Gold- und Silberschmiedemeisters Tim Udvardi-Lakos aus. Tim verbindet traditionelles Handwerk mit modernem Design, und zeigte Werke aus mehreren unterschiedlichen Kollektionen, die sich in ihrem Ausdruck und den verwendeten Techniken auffällig unterschieden. Die Stücke reichen von figurativer Skulptur (z.B. die mythologisch inspirierte Ghost-Kollektion) bis abstrakter Komposition (wie der Serie “Die Grenze zum Nichts”). Dabei liegt das Augenmerk immer auf dem Immateriellen hinter dem Objekt und seiner Wirkung auf den Menschen. Durch seine Stücke sucht er das Leben von Menschen zu bereichern und ihnen Begleiter für den Alltag an die Hand zu geben, die ihnen dabei helfen ihre Persönlichkeit auszudrücken.
Tim blieb während der gesamten Dauer der Ausstellung in Bamberg, baute sich sogar eine Pop-up-Werkbank bei uns im Atelier auf. Es sind kostbare Erinnerungen - das gemeinsame Arbeiten, lange Spaziergänge, ein reicher Gedankenaustausch, Kochabende und Begegnungen mit verschiedenen Besucher:innen. Tim stand zur Zeit der Ausstellung vor einer großen Lebensentscheidung - wie weiter, nach dem Master an der HAWK in Hildesheim? Inzwischen ist er in den Schwarzwald gezogen, wo er sich und seine Schmuck-Karriere in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird.
Dieses Jahr war vor allem ein Jahr des Ankommens. Das erste vollständige Jahr im Atelier NONNE 11, ein Jahr in dem sich das Kulturleben in Bamberg wieder räkelte und die Lethargie der Pandemie abzuschütteln versuchte. Es war ein Jahr der Begegnungen – so viele davon, dass ich mir Eselsbrücken bauen muss, um mir alle Namen und Gesichter zu merken. Ein Jahr des Angenommenwerdens, unter Nachbarn, neuen Freunden, der künstlerisch orientierten Community in Bamberg. Ein Jahr der Gespräche, der Ideen und inneren Entwicklungen. Und auch im privaten Bereich ein großes Ankommen und geerdet werden im Glück.
Ich kann also jetzt sagen, dass ich in Bamberg angekommen bin - und dass ich bleibe.