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Welcome to my blog. This is a place where I think out loud, show you what I’m up to in the studio, share impressions of inspiring events or everyday moments that moved me. Some entries are carefully curated essays, others are just a few thoughts, sometimes written in English and sometimes in German.
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Stipendium "Junge Kunst und Neue Wege"
Im Sommer 2022 erhielt ich das Stipendium „Junge Kunst und Neue Wege“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das mir erlaubte, mich einem größeren künstlerischen Projekt zu widmen. Im Rahmen dieses Stipendienprojekts habe ich die Kollektion SYBILLA entwickelt, die auf den Herbstmessen dieses Jahres zum ersten Mal präsentiert wird.
Im Sommer 2022 erhielt ich das Stipendium „Junge Kunst und Neue Wege“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das mir erlaubte, mich einem größeren künstlerischen Projekt zu widmen. Im Rahmen dieses Stipendienprojekts habe ich die Kollektion SYBILLA entwickelt, die auf den Herbstmessen dieses Jahres zum ersten Mal präsentiert werden soll. In diesem Blogeintrag folgt eine detaillierte Beschreibungen sowie zahlreiche Abbildungen des Arbeitsprozesses. Mitunter sind weitere Einträge dieses Blogs unterverlinkt, die einige der recherchierten Themen zusätzlich aufgreifen und vertiefen.
Zielsetzung
Ich hatte mir in diesem Projekt zum Ziel gesetzt, eine besonders große und komplexe Arbeit in Angriff zu nehmen, bei der meine Arbeitsweise nicht vom potentiellen wirtschaftlichen Erfolg des Resultats beeinflusst sein sollte. Insbesondere wünschte ich mir Zeit und Mittel, umfangreicher mit verschiedenen Emaillefarben und -techniken experimentieren zu können. Ich wollte durch die Verbindung von tragbarem Schmuck und Installation Arbeiten schaffen, die die Abgrenzung zwischen Angewandter Kunst, Schmuck und Objekt verwischen. Inhaltlich wollte ich mich in das Thema (Paradies-)Gärten vertiefen und einzelne Symbole daraus gestalterisch in meiner Arbeit hervorheben. Die Arbeit sollte in einer Installation gipfeln, mehrschichtig und ganzheitlich wie ein Ökosystem gedacht.
Arbeitsprozess & UMSETZUNG
Die Umsetzung dieses Projekts begann zunächst mit vielen Zeichnungen (freiere Skizzen und lösungsorientierte Entwurfszeichnungen) und Recherchen. Ich beschäftigte mich intensiv mit Themen wie etwa historischen Paradiesvorstellungen, mit der mittelalterliche Suche nach dem Garten Eden, und dem neuzeitliche Interesse am Forschen und Sammeln von (aus westlicher Sicht) „exotischen“ Pflanzen, Tieren und kulturellen Objekten, die in botanischen Sammlungen, Florilegien und Wunderkammern präsentiert wurden. In dieser Zeit rutschte mein Fokus vom Granatapfel (mit dem ich mich schon einige Jahre intensiv beschäftigt hatte) als zentrales Symbol des Paradiesgartens, mehr in Richtung der ästhetisierten botanischen Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts im Allgemeinen. Speziell kristallisierte sich die stilisierte drei- oder sechsblättrige Blüte als Symbol der botanischen Neuankömmlinge in Europa für mich als gestalterisches Element heraus. Die achsensymmetrische Blüte ist eine visuelle Verschmelzung von Ordichee, Tulpe, Schwertlilie und anderen Zwiebelgewächsen mit farbenprächtiger und „exotischer“ Blütenfülle.
Dabei fasziniert mich speziell der fließende Übergang zwischen Imagination und naturwissenschaftlicher Beobachtung in den botanischen Illustrationen des 17. und 18. Jahrhunderts. Oft sind in Zeichnungen dieser Zeit komplette Ökosysteme dargestellt, wobei die Fantasie Wissenslücken gekonnt ausfüllt oder Beobachtetes frei ausschmückt. Beispielsweise werden Pflanzen und Insekten gemeinsam abgebildet, die in Wirklichkeit keine spezielle Beziehung zueinander haben. Auch werden Pflanzen gleichzeitig blühend, Früchte tragend und Samen formend dargestellt – ein biologisch unmöglicher, mythisch-paradiesischer Zustand also (und gestalterisch von großem Interesse). Komposition und Ästhetisierung sind dabei sehr wichtig. Eine Künstlerin und Naturforscherin, deren Arbeiten hier ganz besonders hervorstechen, ist Maria Sybilla Merian (1647-1717). Meine Kollektion SYBILLA, die hier in diesem Stipendienprojekt ihren Anfang nimmt, ist nach ihr benannt.
Dem Zeichnen, Skizzieren und Lesen folgten zahlreiche Emaille-Experimente. Ich konnte durch das erhaltene Stipendium eine große Menge neuer Emaillefarben und Zubehör sowie Kupfer und Silber zum Emaillieren erwerben. Aus den neuen Farben fertigte ich als erstes Farbproben, die dazu dienen, die Charaktereigenschaften der Farbe zu testen und als Farb-Referenz für zukünftige Arbeiten zur Verfügung zu haben. Konkret bedeutet das also, dass die pulverisierten Emaillefarben gewaschen, auf kleine Kupfer- oder Silberplättchen aufgetragen und anschließend aufgebrannt und katalogisiert werden müssen. Auf der Suche nach spannenden Kombinationen kombinierte ich in manchen Experimenten mehrere Farben in Lagen übereinander.
Experimente dieser Art sind immer sehr arbeitsintensiv, aber nur so sind auch zufällige und neue Entdeckungen möglich. Da die zu emaillierenden Elemente meiner Kunstobjekte ebenfalls sehr zeitaufwendig goldschmiedisch gefertigt werden (ausnahmslos von Hand ausgesägt, aufgetieft, gelötet, konstruiert), möchte ich natürlich vorher sicher sein, mit welchen Farbkombinationen die gewünschten Effekte erzielt werden können. Trotzdem ist der Emailleprozess selbst von vielen Variablen beeinflusst und das Arbeitsergebnis oft unvorhersehbar. Genau dieses Zusammenspiel von Planung und Spontanität macht für mich den Reiz am Emaillieren aus: Dem Arbeitsprozess wohnt für mich eine Magie inne, die es hervorzulocken gilt. Das funktioniert nicht mit Wille und Gewalt, sondern nur durch Zeit und Zuwendung, Geduld, Demut, und dem Wissen, dass dieser Emailleprozess mir ein Tor zu etwas Größerem, Mitreißenden öffnen kann.
Im Herbst 2022 hatte ich einen ersten großen Halsschmuck der Kollektion SYBILLA entwickelt: Ein barock anmutendes, opulentes, bordeauxrot emailliertes Collier aus archetypischen dreiblättrigen Blüten, teils durchbrochen, wie von Insekten zerfressen, die mit mehrsträngigen Granatketten verbunden sind. Die dreifach gespiegelte achsensymmetrische Blüte als Archetyp der „exotischen“, aus fernen Ländern importierten Blume steht im Zentrum des Colliers. Gefasst sind die Blüten in weitere, noch stärker zerfressene Blüten aus patiniertem Silber. Es ist ein Reigen aus Ordnung und Chaos, aus Schönheit und Zerfall, aus Fressen und Gefressenwerden.
Ein zweiter Halsschmuck ist aktuell im Entstehen, sowie parallel mehrere kleinere Stücke wie Statement-Ohrringe und Tischobjekte. SYBILLA II ist noch ausladender, mit zart changierenden rosa-schwarz-opalweißen Blütenblättern, die mit Süßwasserperlen zu einer opulenten Komposition zusammengefügt werden sollen. Dieses Stück wird in ein größeres Aquarellkunstwerk eingefügt, sodass die emaillierte Blütenelemente eine Verwischung zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Darstellungen, zwischen Objekt, Angewandter Kunst und Schmuck bewirken.
Pandemie, Stipendium & Weiterentwicklung
Die Corona-Pandemie bedeutete für mich, wie für so viele im Kreativbereich, einen großen Einschnitt in meinen Arbeitsprozess. Mir fehlte es an Zeit, Freiraum und Material, mich an etwas Größeres zu wagen, das nicht zwangsläufig mit wirtschaftlichen Erfolgen verknüpft war. Diese Freiheit hat mir nun das Stipendienprogramm „Junge Kunst und Neue Wege“ geschenkt.
Ich konnte mit Hilfe des Stipendiums eine ganz neue Kollektion zu entwickeln. Die hier abgebildeten Arbeiten sind nur der Anfang; in den nachfolgenden Monaten sind noch weitere Arbeiten dieser Kollektion entstanden und werden kontinuierlich weiterentwickelt - sowohl kleinere Stücke und ausladende Statement-Colliers, als auch multidisziplinäre Installationen. Hier dazu einige Beispiele:
WARUM EIGENTLICH EMAILLE?
Der Emailletanz, zum Ritual geworden, verbindet für mich die von Geheimnissen ummantelten Traditionen der Alchemie, Goldschmiedekunst und Mystik zu einem verwobenen Ganzen. Dem Arbeitsprozess wohnt für mich eine Magie inne, die es hervorzulocken gilt. Das funktioniert nicht mit Wille und Gewalt, sondern nur durch Zeit und Zuwendung, Geduld, Demut, und dem Wissen, dass dieser Emailletanz mir eine Tor zu etwas Größerem, Mitreißenden öffnen kann.
Das Emaillieren ist mehr als eine Werktechnik für mich, es ist ein Dialog, ein Tanz, ein Geben und Nehmen, nötig in einen dynamischen Schaffensfluss einzutauchen. Der Prozess des Emaillierens wird so zum Ritual, und die Farben zu Mitgestaltern des Geschehens.
Vereinfacht gesagt, wird beim Emaillieren eine glasähnliche Mischung aus Silikaten und Oxiden entweder in Pulverform oder flüssig auf ein Trägermetall aufgetragen und bei hohen Temperaturen im Brennofen aufgeschmolzen. Der glänzende Glasüberzug erlaubt eine leuchtende Farbgestaltung, die durch komplexe Lichtbrechung in transparenten Farbschichten oder ineinander gemischte, changierende Farbpunkte für das menschliche Auge magisch wirkende Effekte erzielt.
Oberflächlich gesehen, handelt es sich dabei um eine von vielen Schmucktechniken, die durch moderne Technologien wie elektrische Brennöfen und Pulverpressen wesentlich vereinfacht wurden. Trotzdem trete ich bei meiner Arbeit in die Fußstapfen einer Tradition, die über Jahrtausende hinweg durch aufwendige und okkult verschlüsselte Methoden den Elementen ihre Geheimnisse zu entringen suchte.
Ich verfalle dem Rhythmus der Arbeit, dem aufwändigen Waschen der Farben, dem Öffnen und Schließen des Brennofens, der Wartezeit der tickenden Bauchuhr, dem glühenden Hitzeschwall, dem metallischen Geräusch des Erkaltens, der Wiederholung der Bewegungen, dem Kreisen um eine nie erreichbare Perfektion. Alles synchronisiert sich zu einem größeren Ein- und Ausatmen. Die Zeit steht still und bewegt sich doch im unaufhörlichen inneren Takt weiter. Ich arbeite im Trance.
Der Emailletanz, zum Ritual geworden, verbindet für mich die von Geheimnissen ummantelten Traditionen der Alchemie, Goldschmiedekunst und Mystik zu einem verwobenen Ganzen. Wie auch in diesen antiken Künsten, spielen die klassischen Elemente beim Emaillieren eine wichtige Rolle: Das Wasser des Waschens, das Feuer des Brennofens, das Metall und die Farboxide aus der Erde, die chemischen Reaktionen, erst durch die Luft ermöglicht - sie alle bestimmen durch ihren Einfluss den Ausgang des Geschehens.
Dem Arbeitsprozess wohnt für mich eine Magie inne, die es hervorzulocken gilt. Das funktioniert nicht mit Wille und Gewalt, sondern nur durch Zeit und Zuwendung, Geduld, Demut, und dem Wissen, dass dieser Emailletanz mir eine Tor zu etwas Größerem, Mitreißenden öffnen kann.
Dabei sind Farben für mich von großer Bedeutung. Schon als Kind war meine Welt von Farben bevölkert; Ziffern, Buchstaben und Töne waren mit bestimmten Farben assoziiert und Wörter oder Zahlenreihen folglich als Farbsequenzen abgespeichert. Die Farben entwickelten eigenen Persönlichkeiten für mich, eigene Wesen mit individuellen Charakterzügen und eigenen Intentionen. Das Emaillieren zog mich wohl deshalb so früh in meiner Schmuckkarriere in seinen Bann, weil ich dort die Begegnung mit den Farben für mich erlebbar machen konnte.
Was wollen die Farben? Wie kann ich sie verstehen lernen, mich annähern? Beim Emaillieren geben sie sich mal zickig und verschrumpelt, dann wieder glatt wie windstilles Wasser, trüb, leuchtend transparent oder opak und verschlossen, verspiegelt, geschmeidig und umgänglich, oder abweisend und spröde; manche verlangen Lage um Lage sorgfältig übereinander geschmolzener Präzision, andere sind beim ersten Versuch speckig-glatt und zufrieden. Schnell beleidigt brennt sich die eine Farbe Löcher in den Rand, eine andere glättet Unebenheiten und Meinungsverschiedenheiten mit großzügiger Gestik.
Um die Farben besser kennen zu lernen, bekommen sie von mir eigene Namen, Alltagsdichtungen, die ich aus persönlichen Erfahrungen und Assoziationen heraus für jede Farbe finde. Dafür muss ich mich im Zuhören üben, muss mich die Farbe etwas angehen lassen, mich ihr vertraut machen. Mir die Farbe vertraut machen - das beutet, sich zu öffnen, sich verletzlich machen. Ich suche nach Namen, die auf der Zunge prickeln, beschreibende Namen wie „Schnee von Gestern“ oder „Geisha Blush“ oder „Madame de Pompadours Kleid“, „Verbrannte Koralle“ oder „sonnendurchflutete Eichenblätter im Frühling“. Ich weiß damit nicht nur genau, was gemeint ist, sondern kann auch einen Fetzen Lebenserfahrung in einer Arbeitschronik greifbar festhalten.
Farben sind soziale Wesen. Am stärksten ist eine Farbe in Kombination mit genau der richtigen anderen Farbe. Diese Kombinationen ergeben sich oft experimentell, sind unvorhersehbar und einzigartig; mal stärken sich die Farben im Trio, oder schwächen sich gegenseitig in ihrem Auftreten. Selten lässt sich eine gelungene Kombination oder ein Farbeffekt ganz genau duplizieren.
Und während ich langsam begreifen lerne, erkenne ich, wie viel es noch zu lernen und zu verstehen gibt, und fühle mich von einer Ehrfurcht vor der Größe des Ganzen ergriffen.
Diese innere Welt, verborgen hinter der glänzenden Oberfläche des Emaille und regiert vom Pantheon der Farben und Elemente, begleitet mich auch über den Arbeitsprozess hinaus in meinen Alltag. Die Farbgötter und Elemente beherrschen für mich auch Jahreszeiten, Zyklen, Emotionen, Lebensphasen, Transformationen im Großen und im Kleinen.
Verlangen die Farbgötter Opfer? Alles hat seinen Preis, und meistens bezahlen wir mit Lebensenergie, mit unserer unwiederbringlich dargebotenen Zeit. Die Farben verlangen echte Hingabe und Aufmerksamkeit, um sich in ihrer vollen Pracht zeigen zu können. Nur durch die ehrlich und ernst gemeinte Bereitschaft, mich ihnen zu widmen, geben die Farben sich wirklich preis. Die Stücke, die aus einer solchen Hingabe geboren sind, flirren in einem eigenen, kaum wahrnehmbaren Energiefeld. Durch diesen Entstehungsprozess, durch die Waschung in reinem Wasser und die Läuterung des Feuers, wird zudem etwas im Wesentlichen der Farben befreit, aus sich selbst herausgelöst, das wohl zu spüren ist aber niemals in Worte zu fassen.
Während ich diesem Weg des Emaillierens folge, kann ich unter endlos vielen Seitenpfaden wählen. Ich kann Goldschmiedekunst, Farblehre und Farbpsychologie durch eine kulturhistorische Linse betrachten, kann mich in die Tiefen der Optik verstricken, in die Mystik und Alchemie eintauchen, oder mich im Zauber der Edelsteine verlieren, von dort zur Geografie und Geschichte des Kostbaren hüpfen, mich in den Wirren eines Krieges stürzen, immer auf der Spur der Frage, was den Menschen zu welcher Zeit etwas bedeutet hat, und warum. Solche Exkursionen bringen mir das Thema mit zunehmender Komplexität näher und verdeutlichen immer wieder für mich eine große Wahrheit: Alles ist mit allem Verknüpft. Alles nimmt Einfluss aufeinander. Und nichts ist jemals Bedeutungslos.
Im Sommer 2022 erhielt ich das Stipendium „Junge Kunst und Neue Wege“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das mir erlaubte, mich einem größeren künstlerischen Projekt zu widmen. Im Rahmen dieses Stipendienprojekts habe ich die Kollektion SYBILLA entwickelt, die auf den Herbstmessen dieses Jahres zum ersten Mal präsentiert wird.