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Nora Kovats Nora Kovats

Stipendium "Junge Kunst und Neue Wege"

Im Sommer 2022 erhielt ich das Stipendium „Junge Kunst und Neue Wege“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das mir erlaubte, mich einem größeren künstlerischen Projekt zu widmen. Im Rahmen dieses Stipendienprojekts habe ich die Kollektion SYBILLA entwickelt, die auf den Herbstmessen dieses Jahres zum ersten Mal präsentiert wird.

“JUNGE KUNST UND NEUE WEGE”

Arbeitsergebnisse eines Stipendiums des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst

Auf Deutsch.

Im Sommer 2022 erhielt ich das Stipendium „Junge Kunst und Neue Wege“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das mir erlaubte, mich einem größeren künstlerischen Projekt zu widmen. Im Rahmen dieses Stipendienprojekts habe ich die Kollektion SYBILLA entwickelt, die auf den Herbstmessen dieses Jahres zum ersten Mal präsentiert werden soll. In diesem Blogeintrag folgt eine detaillierte Beschreibungen sowie zahlreiche Abbildungen des Arbeitsprozesses. Mitunter sind weitere Einträge dieses Blogs unterverlinkt, die einige der recherchierten Themen zusätzlich aufgreifen und vertiefen.

 

Zielsetzung

 Ich hatte mir in diesem Projekt zum Ziel gesetzt, eine besonders große und komplexe Arbeit in Angriff zu nehmen, bei der meine Arbeitsweise nicht vom potentiellen wirtschaftlichen Erfolg des Resultats beeinflusst sein sollte. Insbesondere wünschte ich mir Zeit und Mittel, umfangreicher mit verschiedenen Emaillefarben und -techniken experimentieren zu können. Ich wollte durch die Verbindung von tragbarem Schmuck und Installation Arbeiten schaffen, die die Abgrenzung zwischen Angewandter Kunst, Schmuck und Objekt verwischen. Inhaltlich wollte ich mich in das Thema (Paradies-)Gärten vertiefen und einzelne Symbole daraus gestalterisch in meiner Arbeit hervorheben. Die Arbeit sollte in einer Installation gipfeln, mehrschichtig und ganzheitlich wie ein Ökosystem gedacht.

Pinnwand am Arbeitsplatz, bedeckt mit Zeichnungen, Experimenten, halbfertigen Emaille-Elementen und Materialproben.

Erste Entwürfe mit dreiblättrigen Blüten, am Arbeitsplatz an die Wand gepinnt.

 

Tuschezeichnung. Die archetypische Form wird durch zahllose Wiederholungen immer wieder variiert.

Arbeitsprozess & UMSETZUNG

Die Umsetzung dieses Projekts begann zunächst mit vielen Zeichnungen (freiere Skizzen und lösungsorientierte Entwurfszeichnungen) und Recherchen. Ich beschäftigte mich intensiv mit Themen wie etwa historischen Paradiesvorstellungen, mit der mittelalterliche Suche nach dem Garten Eden, und dem neuzeitliche Interesse am Forschen und Sammeln von (aus westlicher Sicht) „exotischen“ Pflanzen, Tieren und kulturellen Objekten, die in botanischen Sammlungen, Florilegien und Wunderkammern präsentiert wurden. In dieser Zeit rutschte mein Fokus vom Granatapfel (mit dem ich mich schon einige Jahre intensiv beschäftigt hatte) als zentrales Symbol des Paradiesgartens, mehr in Richtung der ästhetisierten botanischen Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts im Allgemeinen. Speziell kristallisierte sich die stilisierte drei- oder sechsblättrige Blüte als Symbol der botanischen Neuankömmlinge in Europa für mich als gestalterisches Element heraus. Die achsensymmetrische Blüte ist eine visuelle Verschmelzung von Ordichee, Tulpe, Schwertlilie und anderen Zwiebelgewächsen mit farbenprächtiger und „exotischer“ Blütenfülle.

Ich arbeitete an das Thema heran: Es entstanden sowohl lösungsorientierte Entwurfszeichnungen als auch durch freiere Skizzen und Collagen.

Dabei fasziniert mich speziell der fließende Übergang zwischen Imagination und naturwissenschaftlicher Beobachtung in den botanischen Illustrationen des 17. und 18. Jahrhunderts. Oft sind in Zeichnungen dieser Zeit komplette Ökosysteme dargestellt, wobei die Fantasie Wissenslücken gekonnt ausfüllt oder Beobachtetes frei ausschmückt. Beispielsweise werden Pflanzen und Insekten gemeinsam abgebildet, die in Wirklichkeit keine spezielle Beziehung zueinander haben. Auch werden Pflanzen gleichzeitig blühend, Früchte tragend und Samen formend dargestellt – ein biologisch unmöglicher, mythisch-paradiesischer Zustand also (und gestalterisch von großem Interesse). Komposition und Ästhetisierung sind dabei sehr wichtig. Eine Künstlerin und Naturforscherin, deren Arbeiten hier ganz besonders hervorstechen, ist Maria Sybilla Merian (1647-1717). Meine Kollektion SYBILLA, die hier in diesem Stipendienprojekt ihren Anfang nimmt, ist nach ihr benannt.

Jede Farbe hat ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigene Ausstrahlung. Deshalb ist es notwendig, einen Katalog der vorhandenen Farben zu erstellen. Dieses Wandbild, das immer weiter ergänzt werden kann, stellt eine einfache Version dar; komplexere Farbpaletten zeigen dieselbe Emaillefarbe oft auf drei bis sechs verschiedenen Untergründen, denn besonders transparente Farben wirken sehr unterschiedlich je nach Trägermetall und Fondant-Unterlage.

Dem Zeichnen, Skizzieren und Lesen folgten zahlreiche Emaille-Experimente. Ich konnte durch das erhaltene Stipendium eine große Menge neuer Emaillefarben und Zubehör sowie Kupfer und Silber zum Emaillieren erwerben. Aus den neuen Farben fertigte ich als erstes Farbproben, die dazu dienen, die Charaktereigenschaften der Farbe zu testen und als Farb-Referenz für zukünftige Arbeiten zur Verfügung zu haben. Konkret bedeutet das also, dass die pulverisierten Emaillefarben gewaschen, auf kleine Kupfer- oder Silberplättchen aufgetragen und anschließend aufgebrannt und katalogisiert werden müssen. Auf der Suche nach spannenden Kombinationen kombinierte ich in manchen Experimenten mehrere Farben in Lagen übereinander.

Die Emaillefarben werden von mir assoziativ mit persönlichen Farbnamen versehen. Hier ist eine Reihe von Proben abgebildet, die Übergänge verschiedner Farben ineinander zeigen. Ich bin in diesen Experimenten auf der Suche nach sanften, magisch schimmernden Farbübergängen, die im Betrachter eine emotionale Reaktion auslösen.

Historische Emaille-Farbpaletten aus den 60er oder 70er Jahren, die ich mit einem alten Emaillekonvolut übernommen habe. Hier sieht man links den Test auf Silber, mit verschiedenen Unterlagen, und rechts auf Kupfer, ebenfalls mit und ohne Fondant.

Experimente dieser Art sind immer sehr arbeitsintensiv, aber nur so sind auch zufällige und neue Entdeckungen möglich. Da die zu emaillierenden Elemente meiner Kunstobjekte ebenfalls sehr zeitaufwendig goldschmiedisch gefertigt werden (ausnahmslos von Hand ausgesägt, aufgetieft, gelötet, konstruiert), möchte ich natürlich vorher sicher sein, mit welchen Farbkombinationen die gewünschten Effekte erzielt werden können. Trotzdem ist der Emailleprozess selbst von vielen Variablen beeinflusst und das Arbeitsergebnis oft unvorhersehbar. Genau dieses Zusammenspiel von Planung und Spontanität macht für mich den Reiz am Emaillieren aus: Dem Arbeitsprozess wohnt für mich eine Magie inne, die es hervorzulocken gilt. Das funktioniert nicht mit Wille und Gewalt, sondern nur durch Zeit und Zuwendung, Geduld, Demut, und dem Wissen, dass dieser Emailleprozess mir ein Tor zu etwas Größerem, Mitreißenden öffnen kann.

Mit einem Aushauer und Hammer werden Ronden aus Kupfer für Emailleproben geschlagen.

Vorbereitung: Blüten mit Fraßlöchern werden sorgfältig mit der Goldschmiedesäge ausgesägt. Dabei muss das Sägeblatt für jede einzelne Öffnung ausgespannt, durch ein Loch gefädelt und wieder festgezogen werden. Die Spuren des Handgemachten verleihen dem Stück eine spürbare Lebendigkeit, die nicht mit lasergeschnittenen Alternativen zu erreichen wäre.

Collier SYBILLA I auf der Werkbank, nur noch die allerletzten Handgriffe sind zu tun. Der Reigen aus Emailleblüten ist in patiniertes Silber gefasst und mit üppigen Granatsträngen und grauen Perlen kombiniert.

Im Herbst 2022 hatte ich einen ersten großen Halsschmuck der Kollektion SYBILLA entwickelt: Ein barock anmutendes, opulentes, bordeauxrot emailliertes Collier aus archetypischen dreiblättrigen Blüten, teils durchbrochen, wie von Insekten zerfressen, die mit mehrsträngigen Granatketten verbunden sind. Die dreifach gespiegelte achsensymmetrische Blüte als Archetyp der „exotischen“, aus fernen Ländern importierten Blume steht im Zentrum des Colliers. Gefasst sind die Blüten in weitere, noch stärker zerfressene Blüten aus patiniertem Silber. Es ist ein Reigen aus Ordnung und Chaos, aus Schönheit und Zerfall, aus Fressen und Gefressenwerden.

SYBILLA I - die erste Kreation der neuen barock Kollektion.

Zum Jahresende hin ergab sich eine spannende Kooperation mit der Schneidermeisterin und Modegestalterin Sonja Schön, die das neue SYBILLA-Collier mit diesem Outfit der Kollektion SPREAD YOUR WINGS kombinierte.
Model: Imke Hout; Fotograf: Joao Pinheiro; Maske: Sophie Schütt.

Ein zweiter Halsschmuck ist aktuell im Entstehen, sowie parallel mehrere kleinere Stücke wie Statement-Ohrringe und Tischobjekte. SYBILLA II ist noch ausladender, mit zart changierenden rosa-schwarz-opalweißen Blütenblättern, die mit Süßwasserperlen zu einer opulenten Komposition zusammengefügt werden sollen. Dieses Stück wird in ein größeres Aquarellkunstwerk eingefügt, sodass die emaillierte Blütenelemente eine Verwischung zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Darstellungen, zwischen Objekt, Angewandter Kunst und Schmuck bewirken.

Zentrale Blüte des Statement-Colliers SYBILLA II im Emaillierprozess.

In einer Mischung aus opalisierendem Weiß, Hellrosa (das den Namen “Geisha Blush” trägt) und rotstichigem Schwarz entsteht diese betörende Farbenkombination.

Entwurf für das Collier SYBILLA II aus (zerfressenen) emaillierten Blüten, Silber, üppigen Strängen von Süßwasserperlen, und eleganten Tropfen aus schwarzem Spinell.

Auf dem Arbeitstisch: SYBILLA OHRSCHMUCK aus blau-violett emaillierten Blüten, mit patiniertem Silber, kostbaren Tahitiperlen bläulichen Süßwasserperlen und blassgelben Diamanten im Rosenschliff kombiniert. Die Edelsteine und Perlen erstand ich teilweise auf einer Studienreise nach Pforzheim im Juli 2022, wo ich im Lager der Firma SCHÜTT in bezaubernde Edelsteinwelten eintauchen durfte.

SYBILLA OHRSCHMUCK aus blau-violett emaillierten Blüten, mit patiniertem Silber, kostbaren Tahitiperlen, bläulichen Süßwasserperlen und blassgelben Diamanten im Rosenschliff kombiniert.

Pandemie, Stipendium & Weiterentwicklung

 Die Corona-Pandemie bedeutete für mich, wie für so viele im Kreativbereich, einen großen Einschnitt in meinen Arbeitsprozess. Mir fehlte es an Zeit, Freiraum und Material, mich an etwas Größeres zu wagen, das nicht zwangsläufig mit wirtschaftlichen Erfolgen verknüpft war. Diese Freiheit hat mir nun das Stipendienprogramm „Junge Kunst und Neue Wege“ geschenkt.

Ich konnte mit Hilfe des Stipendiums eine ganz neue Kollektion zu entwickeln. Die hier abgebildeten Arbeiten sind nur der Anfang; in den nachfolgenden Monaten sind noch weitere Arbeiten dieser Kollektion entstanden und werden kontinuierlich weiterentwickelt - sowohl kleinere Stücke und ausladende Statement-Colliers, als auch multidisziplinäre Installationen. Hier dazu einige Beispiele:

SYBILLA. Doppelbrosche. 2023. Emaille, Sterlingsilber, Kupfer, Perlen (Süßwasser und Barock), Labradorit, Onyx, Amethyst, 750er Gold, fleckfreier Stahldraht. Emailliert, handgesägt, gelötet.

Detail: SYBILLA Collier. 2022-2023. Emaille, Kupfer, Silber, Granat, Spinell, schwarze Barockperle, 750er Gold. Emailliert, handgesägt, konstruiert.

SYBILLA Ohrschmuck. 2023. Emaille auf Feinsilber, Amethysttropfen (nachhaltig, von der Firma SCHÜTT), rosa Süßwasserperlen, 750er Gold, Sterlingsilber. Von Hand gesägt, emailliert, konstruiert.


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